Schleudertrauma (HWS-Distorsion) • Symptome & Behandlung

2022-11-09 17:33:23 By : Mr. Jack CUI

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Ein Schleudertrauma ist eine Weichteilverletzung im Bereich der Halswirbelsäule, die häufig durch einen Verkehrsunfall verursacht wird. Typisch sind Symptome wie ein steifer Hals, Kopf- und Nackenschmerzen. Welche Behandlung bei einer HWS-Distorsion hilft, ob das Tragen einer Halskrause sinnvoll ist und was man tun kann, damit die Schmerzen nicht chronisch werden.

Ein Schleudertrauma ist die häufigste Folge von Verkehrsunfällen in Deutschland. Der Hintermann passt einen kurzen Moment nicht auf und fährt dem vorausfahrenden Auto auf. Die Insassen des vorderen Wagens werden mit voller Wucht nach vorne geschleudert. Durch diese peitschenartige Bewegung des Kopfes kommt es dabei schnell zu einer Verletzung der Weichteile im Bereich der Halswirbelsäule (HWS). Mediziner sprechen von einer Distorsion (Verrenkung) der Halswirbelsäule, kurz HWS-Distorsion, oder eben vom HWS-Schleudertrauma. Meist werden durch die starke Überdehnung "nur" Muskeln, Sehnen und Bänder verletzt, manchmal sind auch die knöchernen Strukturen der Wirbel betroffen.

Bei seitlichen oder frontalen Aufprällen – etwa durch Zusammenstöße beim Sport oder einen Auffahrunfall – wirken erhebliche Beschleunigungskräfte auf den Kopf und die Halswirbelsäule (HWS) ein, gefolgt von enormen Bremskräften. Der Kopf wird durch den Stoß von hinten zuerst überstreckt und dann regelrecht nach vorne katapultiert, was die Halswirbelsäule extrem belastet und überdehnt und deshalb schädigt.

Ein Schleudertrauma ist keine Krankheit im eigentlichen Sinn, sondern umfasst mehrere Symptome, die durch äußere Krafteinwirkung entstehen. Weitere Bezeichnungen sind:

Häufig wird für ein Schleudertrauma auch die Bezeichnung HWS-Syndrom verwendet, obwohl die Begriffe nicht gleichzusetzen sind. Ein HWS-Syndrom beschreibt den Symptomenkomplex von Schmerzen und neurologischen Störungen im Schulter-Arm-Bereich, der sowohl durch Verschleiß und Fehlbelastung als auch durch einen Unfall verursacht werden kann. In letzterem Fall spricht man vom posttraumatischen HWS-Syndrom. Es ist also genaugenommen eine mögliche Folge eines Schleudertraumas.

Ein Schleudertrauma geht mit Zerrungen, Überdehnungen, Rissen oder Stauchungen von Muskeln, Sehnen, Bändern oder Bandscheiben in der Region der Halswirbelsäule einher. Selten werden bei einer HWS-Distorsion auch die Knochen, Gelenke, Gefäße oder Nerven verletzt. Betroffene verspüren Nackenschmerzen, die in Schulter oder Rücken ausstrahlen können, muskelkaterartige Verspannungen und häufig auch Kopfschmerzen. Die Symptome sind meist nicht direkt nach dem Unfall zu spüren, sondern entwickeln sich mit zeitlicher Verzögerung einige Stunden später.

Die Stärke des Traumas hängt nicht zwangsläufig mit der Schwere des Auffahrunfalls zusammen. So kann schon ein leichter Aufprall schwere Störungen verursachen, während andere Personen selbst nach schweren Unfälle nicht immer Beschwerden entwickeln. Meist ist das HWS-Beschleunigungstrauma harmlos und klingt innerhalb von vier Wochen wieder ab. Es gibt aber einige Faktoren, die das Risiko für einen chronischen Verlauf erhöhen, zum Beispiel anfängliche heftige Kopfschmerzen oder die psychische Verfassung des Betroffenen. Mit Hilfe von Schmerzmitteln oder physikalischen Therapien, etwa Wärme und Kälte, können Betroffene die Unfallfolgen meistens gut in den Griff bekommen.

Es kann auch zu Verletzungen der knöchernen Wirbelstrukturen oder der Nerven im Wirbelkanal kommen. Diese sind allerdings beim klassischen Auffahrunfall außerordentlich selten, was der verbesserten Sicherheit in Autos mit Airbags, Sicherheitsgurten und vor allem Kopfstützen zuzuschreiben ist. Auch Komplikationen wie Gehirnerschütterungen oder Schädel-Hirn-Traumata sind eher selten.

Auslöser einer HWS-Distorsion ist eine Beschleunigung über das normale, physiologisch kompensierbare Maß hinaus, die plötzlich und unerwartet von außen einwirkt. Innerhalb kürzester Zeit kommt es nach der extremen Beschleunigung (Akzeleration) zur Negativbeschleunigung (Dezeleration). Auf Kopf und Halswirbelsäule wirken dabei erhebliche Kräfte ein, welche die Muskeln vor allem der oberen Halswirbelsäule, die Bänder und in schweren Fällen auch die Halswirbel und Bandscheiben schädigen können.

Am stärksten sind die Beschleunigungskräfte bei einem Auffahrunfall von hinten auf das Heck eines Fahrzeugs. Ein zusätzlicher Beschleunigungsgrad von zehn Stundenkilometern und mehr durch den Aufprall genügt, um die Hals-Nacken-Muskulatur und den Halteapparat wie Sehnen und Bänder in Mitleidenschaft zu ziehen. Dagegen reichen Beschleunigungen, wie sie beim schnellen Anfahren oder einer Vollbremsung einwirken, normalerweise nicht aus, um eine Distorsion der Halswirbelsäule hervorzurufen.

Auch bei Sport- und Freizeitunfällen oder Stürzen kann es zu einem Schleudertrauma kommen. Kampfsportarten wie Kick-Boxen, Ringen, Yudo, Karate oder Thai-Boxen können durch die schnellen, beschleunigten Bewegungen Kopf, Hals und Wirbelsäule ebenfalls erheblich strapazieren. Außerdem kommt es bei Freizeitbeschäftigungen wie Autoscooter- oder bei Achterbahnfahrten immer wieder zu Verletzungen der Halswirbelsäule. Auch Stürze führen häufig zum Schleudertrauma, beispielsweise beim Klettern, Skifahren oder Reiten.

Wer unter Vorerkrankungen wie schweren Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule, Instabilität von Wirbeln (Gleitwirbel), Morbus Bechterew (chronisch-entzündliche Erkrankung der Gelenke) oder einer Entzündung mehrerer Gelenke (Polyarthritis) leidet, hat ein erhöhtes Risiko für ein HWS-Syndrom. Darüber hinaus gelten Vorschädigungen durch eventuell vorausgegangene Verletzungen der Halswirbelsäule als Risikofaktoren, ebenso wie eine allgemein schlechte Konstitution und Muskelschwäche.

Bei einer HWS-Distorsion können verschiedene Symptome, welche Halswirbelsäule, Kopf und Nacken betreffen, in individuell unterschiedlicher Stärke auftreten.

Erste Beschwerden bei einem Schleudertrauma sind häufig:

Am häufigsten kommt es dabei zu einem typischen Symptomenkomplex, bestehend aus Nackenschmerzen, die in Schulter oder auch Rücken ausstrahlen, muskelkaterartigen Verspannungen und einem steifen Nacken. Ausgelöst werden die Schmerzen und Bewegungseinschränkungen durch das entzündete Bindegewebe und kleinste Faserrisse in Muskeln und Bändern. Kopfschmerzen, die häufig begleitend auftreten, entstehen meist aufgrund der Muskelverspannungen im Nacken. Sie können aber auch ein Hinweis auf eine Gehirnerschütterung sein, vor allem wenn sie direkt nach dem Unfall auftreten, sehr heftig sind und von Übelkeit und Erbrechen begleitet werden. In diesem Fall sollte unbedingt eine möglichst schnelle neurologische Abklärung erfolgen.

Meist vergehen nach dem Unfall einige Stunden, selten bis zu drei Tage, bis sich die Symptome in ihrer vollen Ausprägung zeigen. Die Ursache für das verzögerte Einsetzen der Beschwerden, Latenz genannt, vermuten Mediziner darin, dass der Unfall das Gewebe mechanisch schädigt und langsam eine Entzündung hervorruft. In den meisten Fällen dauern die Beschwerden wie muskelkaterartige Nackenschmerzen oder die Nackensteife einige Tage bis wenige Wochen an. Beim größten Teil der Betroffenen sind die Symptome nach etwa vier Wochen vollständig abgeklungen.

Je nach Schweregrad der Verletzung können folgende weitere Symptome und Störungen hinzukommen:

Diesen Symptomen schenken Ärzte besondere Aufmerksamkeit, weil sie möglicherweise auf ein besonders schweres Schleudertrauma mit Schäden an Nerven, Bandscheiben oder sogar Knochenbrüchen (Frakturen) an Halswirbeln hindeuten können.

Grundsätzlich können knöcherne Verletzungen wie Wirbelabsprengungen, Verengungen des Wirbelkanals oder sogenanntes Wirbelgleiten – verursacht durch eine Instabilität der Wirbelsäule – in Verbindung mit einem Schleudertrauma auftreten. Diese Folgen sind aber eher selten, ebenso wie Verletzungen des Nervengewebes (nervale Läsionen) wie Zerrungen, Quetschungen oder Einengungen von Nerven.

Sind die Schmerzen und Beschwerden nach etwa sechs Monaten nicht vollständig abgeklungen, sprechen Ärzte von einer Chronifizierung. Ausschlaggebend für einen chronischen Verlauf ist weniger die Schwere der Verletzung, sondern Faktoren wie die psychische Verarbeitung des Unfallgeschehens, die individuelle Angst vor bleibenden Schäden oder auch die Betreuungssituation durch den begleitenden Arzt eine Rolle.

Treten nach einem Auto- oder Sportunfall Nackenschmerzen und andere Störungen auf, ist es ratsam. die Unfallfolgen von einem Arzt abklären zu lassen. Der Arzt wird sich genau erkundigen nach:

Daraus lässt sich meist schon die Diagnose Halswirbelsäulendistorsion stellen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung der Verletzungen ist wichtig, um die Gefahr zu vermindern, dass das Schleudertrauma chronisch wird. Dabei hilft die Einteilung in verschiedene Schweregrade.

Mediziner teilen das Schleudertrauma je nach Anzahl und Ausprägung der Beschwerden in vier verschiedene Grade ein (Schleudertrauma Schweregrad 0 bis IV). Als Grundlage für die Einstufung dient die Klassifikation der Quebec Task Force (QTF):

Nur Beschwerden der Halswirbelsäule, zum Beispiel:

- Steifheitsgefühl im Nacken

- Überempfindlichkeit bei Berührung

Beschwerden der Halswirbelsäule wie bei Schweregrad I plus:

- Beeinträchtigungen von Muskeln und Skelett, etwa Bewegungseinschränkungen

- Überempfindlichkeit bei Berührungen

Beschwerden der Halswirbelsäule wie bei Schweregrad I plus:

- Neurologische Beeinträchtigungen wie schwache oder nicht vorhandene Muskelreflexe

Beschwerden der Halswirbelsäule wie bei Schweregrad I plus:

- Bruch oder Verdrehung/Verschiebung der Halswirbelsäule

Die Mehrzahl aller Schleudertraumata (90 bis 95 Prozent) entsprechen den Schweregraden 0 bis II.

Folgende Untersuchungen helfen dem Arzt bei der Diagnose eines HWS-Traumas:

Körperliche Untersuchung: Der Arzt testet unter anderem die Beweglichkeit, Koordination, Reflexe, Funktion von Knochen, Muskeln und Gelenken, das Gleichgewicht, Empfindungsvermögen, die Orientierung und das Gedächtnis. Zudem prüft er, ob es akute psychische Belastungsreaktionen auf den Unfall gibt.

Röntgenuntersuchung: Sie zeigt zum Beispiel, ob Brüche vorliegen.

Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) der Wirbelsäule bei Verdacht auf eine schwerere Verletzung der Wirbelsäule, Nervenschädigungen oder Weichteilverletzung (Muskeln, Sehnen, Bänder). Ein MRT führen Ärzte auch durch, wenn die Schmerzen über einen Zeitraum von vier Wochen anhalten und unerklärlich sind.

Im Lifeline-Lexikon sind Diagnosen von A wie Angiographie bis Z wie Zystoskopie ausführlich und auch für medizinische Laien verständlich beschrieben.

Psychische Belastungen und Stresssymptome erfragt der Arzt eventuell anhand eines standardisierten Fragenbogens.

Bei Verdacht auf Verletzungen des Nervensystems und Gleichgewichtsorgans im Innenohr folgen weitere Untersuchungen:

In speziellen Fällen führen Ärzte weitere Untersuchungen durch, um mögliche Schäden durch das Schleudertrauma zu diagnostizieren. Dazu zählen beispielsweise:

Ein HWS-Schleudertrauma lässt sich fast immer konservativ, also ohne Operation, behandeln. Wichtig für den Therapieerfolg ist, dass der Patient an den Entscheidungen für oder gegen eine Behandlung beteiligt ist und aktiv mitmacht.

Gegen die Schmerzen und Entzündungen helfen nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), zum Beispiel Ibuprofen, Naproxen oder Diclofenac. Auch Paracetamol wirkt schmerzlindernd. Die Schmerzmittel sollten aber nicht länger als vier Wochen eingenommen werden. Bei chronischen Schmerzen setzen Ärzte Lidocain ein. Das örtliche Betäubungsmittel wird in den Muskel injiziert. Daneben kommen muskelentspannende Medikamente (Muskelrelaxantien) zum Einsatz, beispielsweise Tetrazepam; diese sollten Betroffene aber nicht länger als zwei Wochen anwenden. Auch einige Antidepressiva wirken schmerzlindernd, zum Beispiel Amitriptylin.

Folgende physikalische Therapien können die Schmerzen bei einem Schleudertrauma lindern:

In der akuten Phase der Schmerzen kann man mit einfachen Hausmitteln oft eine gute Schmerzreduktion und damit Entspannung bewirken, beispielsweise mit:

Bei Betroffenen mit länger andauernden Beschwerden kann eine Psychotherapie helfen, zum Beispiel eine Verhaltenstherapie. Dabei versuchen Therapeuten, negative Denkmuster und Verhaltensweisen abzubauen und durch positive zu ersetzen. Die richtigen Ansprechpartner sind Fachärzte für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie oder Psychiatrie.

Eine Krankschreibung über drei Wochen oder länger ist bei einem Schleudertrauma normalerweise nicht nötig. Eine Ausnahme stellen selbstverständlich Verletzungen der Nerven, Bandscheiben oder Halswirbelknochen dar. Studien haben gezeigt, dass eine möglichst baldige Rückkehr in den Alltag und eine schnelle Wiederaufnahme der normalen Lebensgewohnheiten die Heilung beschleunigt und einer Chronifizierung entgegenwirkt. 

Folgende Therapiemaßnahmen empfehlen Ärzte heute nicht mehr:

Halsmanschette: Die früher häufig eingesetzten "Halskrausen" (Schanz-Kragen) oder andere Hilfsmittel, welche den Kopf und die Halswirbelsäule ruhigstellen, gelten heute als überflüssig. Eine Ausnahme ist, wenn Patienten massive Schmerzen bei Bewegung haben und der Kopf-Hals-Bereich sehr instabil ist. Eine längere Ruhigstellung (Immobilisation) durch eine Halskrause verursacht auf lange Sicht stärkere Beschwerden und kann ebenfalls zur Chronifizierung des Schleudertraumas beitragen. Nur bei schweren Verletzungen am Knochen ist es ratsam, die Halswirbelsäule ruhigzustellen.

Passive Mobilisierung während akuter Schmerzphasen, zum Beispiel Chiropraktik oder Osteopathie, sollte zunächst unterbleiben. Sie erhöht die Gefahr einer erneuten Verletzung, kann aber später bei chronischen Beschwerden hilfreich sein.

Neuropsychologische Therapie ("Hirnleistungstraining") hat sich bei unkomplizierten Schleudertraumata ebenfalls als unwirksam erwiesen.

Einen entscheidenden Einfluss zur baldigen Genesung haben das Verhalten und die Einstellung des behandelnden Arztes. Er sollte seinen Patienten nicht vor bleibenden Spätschäden warnen oder früh eine ungünstige Prognose stellen. Denn das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das HWS-Syndrom chronisch wird.

Der Arzt sollte vielmehr darauf eingehen, dass ein Schleudertrauma meist harmlos ist und den Patienten beruhigen, dass die Schmerzen, auch wenn sie sehr heftig sind, völlig normal sind und von ganz alleine wieder vergehen.

Das Schleudertrauma verläuft in den meisten Fällen harmlos und die Symptome klingen innerhalb von vier Wochen ab – und zwar weitgehend unabhängig vom anfänglichen Schweregrad und der Stärke der Beschwerden. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Verhalten des behandelnden Arztes, sowie auch die Eigeninitiative des Patienten.

Als positiv für eine schnelle Heilung haben sich erwiesen:

Das HWS-Syndrom kann aber auch eine chronische Entwicklung nehmen. Wenn Symptome wie Nackenschmerzen, Myalgien oder Kopfschmerzen länger anhalten, sprechen Ärzte von einer Chronifizierung. Bei etwa zwölf Prozent der Patienten dauern die Beschwerden länger als sechs Monate an. Teilweise bleiben auch begleitende Beschwerden wie Schwindel, Konzentrationsstörungen oder Tinnitus über längere Zeit bestehen. Mediziner haben einige Risikofaktoren ausgemacht, die ein chronisches Schleudertrauma begünstigen:

Psychische Faktoren spielen offenbar eine große Rolle, wenn die Symptome des Schleudertraumas chronisch werden. Viele durchleben das Ereignis immer wieder in ihrer Erinnerung oder stellen es sich neu vor. In Studien, bei denen Forscher einen fiktiven Heckaufprall simulierten, berichteten anschließend rund 20 Prozent der Studienteilnehmer von Beschwerden, obwohl weder ein Zusammenstoß noch eine Verletzung stattgefunden hatte. Der Unfall alleine erklärt also nicht immer ausreichend, warum das Schleudertrauma chronisch wird und ein Mensch über längere Zeit erheblich unter den Folgen leidet.

Die anfängliche Stärke der Schmerzen, das subjektive Schmerzerleben, die Schmerz- und Stressverarbeitung, aber auch soziale Verstärkersysteme wie die Erwartung von Schmerzensgeld scheinen eine Rolle zu spielen. Gesichert ist, dass bestehende Ängste und Depressionen die Wahrscheinlichkeit von Beschwerden nach einer Verletzung erhöhen.

Die HWS-Distorsion zählt zu den häufigsten Komplikationen nach Autounfällen und ist insgesamt ein eher umstrittenes Syndrom. Oft ist das Schleudertrauma ein Fall für Versicherungen und Juristen, weil es um Entschädigungen in Form von Schmerzensgeld geht. In den letzten 30 Jahren hat eine wachsende Zahl von Geschädigten ärztliche Hilfe wegen eines HWS-Beschleunigungstraumas in Anspruch genommen. Zwischen den einzelnen Ländern gibt es erhebliche Unterschiede, was die gesetzlichen Regelungen, kulturellen Besonderheiten und Erwartungshaltung der Betroffenen angeht. So ergaben Studien, dass Schleudertraumata in Ländern, in denen keine Entschädigung zu erwarten ist, fast unbekannt sind. In Deutschland sind hingegen jährlich etwa 400.000 Menschen betroffen.

Grundlage für die Bemessung des Schmerzensgeldes ist der Grad der Störung nach der Quebec Task Force-Klassifizierung. Außerdem werden Röntgenbilder und andere Belege der Verletzung zur Bewertung herangezogen. Als problematisch erweist sich dabei oft, dass eine Verletzung von Weichteilen wie Muskeln und Bändern im Gegensatz zu einem Knochenbruch schwer dokumentierbar ist.

Voraussetzung für eine möglicherweise erfolgreiche Klage auf Schmerzensgeld ist dabei:

Diese Maßnahmen sind auch wichtig, um mögliche Spätfolgen und entsprechende Regressansprüche zu beweisen.

Einer der wichtigsten Aspekte zum Schutz vor HWS-Distorsionen ist eine korrekt eingestellte Kopfstütze im PKW. Viele Autofahrer schenken dieser Sicherheitseinrichtung wenig Aufmerksamkeit, doch Crashtests von Seiten der Automobilhersteller oder des ADAC haben ergeben, dass sie einen erheblichen Anteil bei der Vermeidung und Milderung von Schäden bei Auffahrunfällen hat. Nach Empfehlungen sollte die Kopfstütze nicht mehr als zwei bis vier Zentimeter vom Kopf entfernt sein. Wichtig ist auch, dass sie nicht zu hoch eingestellt ist, da der Kopf ansonsten bei einem Stoß von hinten weit zurückgeschleudert werden kann. Sicherheitsgurte, Airbags und Seitenairbags schwächen einwirkende Kräfte zusätzlich ab und verhindern, dass der Kopf hart aufprallt.

Allgemein bietet eine gut trainierte Rücken- und Nackenmuskulatur einen gewissen Schutz vor Verletzungen wie einem Schleudertrauma. Gerade bei Sportarten, die mit einem erhöhten Risiko für Verletzungen im Hals- und Nackenbereich einhergehen –etwa Klettern, Reiten oder Rennsport – sollte auf entsprechenden Muskelaufbau geachtet werden. Unnötige Belastungen für die Halswirbelsäule wie absichtliche Auffahrmanöver beim Autoscooter-Fahren sollten hingegen möglichst vermieden werden.

Schätzungen zufolge erleiden pro Jahr rund 320.000 Deutsche eine Schädel-Hirn-Verletzung. In etwa 91 Prozent der Fälle liegt eine leichte Form, also eine Gehirnerschütterung, vor. Kinder sind besonders häufig betroffen: Pro Jahr werden in Deutschland rund 580 von 100.000 Kindern und Jugendlichen bis 15 Jahre wegen eines Schädel-Hirn-Traumas behandelt, wobei es sich in 90 Prozent der Fälle um eine Gehirnerschütterung handelt.

Eine Gehirnerschütterung entsteht häufig infolge eines Unfalls, zum Beispiel bei einem Sturz vom Fahrrad. Prallt der Kopf mit großer Geschwindigkeit auf einen harten Gegenstand, stößt das Gehirn gegen die Innenwand des Schädels. Kommt es dabei zu Verletzungen des Hirngewebes mit Funktionsstörungen des Gehirns, sprechen Fachleute von einer Schädel-Hirn-Verletzung oder einem Schädel-Hirn-Trauma (SHT). Die häufigste Form der Schädel-Hirn-Verletzung ist die Gehirnerschütterung, ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma. In der Medizin ist auch von einem SHT ersten Grades oder einer Commotio cerebri die Rede. Der Fachbegriff wird aus den lateinischen Wörtern commovere (bewegen) und cerebrum (Gehirn) abgeleitet.

Eine Gehirnerschütterung wird verursacht, wenn der Kopf mit großer Wucht gegen einen harten, unnachgiebigen Gegenstand oder Untergrund prallt. Das passiert beispielsweise bei

Die Flüssigkeit, die das Hirn umgibt, kann dann nicht mehr verhindern, dass das Gehirn beim Aufprall gegen die Schädelinnenseite gedrückt wird. Dabei werden die empfindlichen Nervenfasern gereizt. Dies führt zu den typischen vorübergehenden Funktionsstörungen des Gehirns, beispielsweise eine kurzzeitige Ohnmacht oder Gedächtnislücken. Schädelknochen und die äußere Kopfhaut müssen dabei nicht sichtbar verletzt sein.

Weitere Ursachen für Traumata mit Beteiligung des Kopfes sind beispielsweise epileptische Anfälle sowie Alkohol- oder Drogenmissbrauch. Zudem ist das Risiko für eine Gehirnerschütterung bei bestimmten Sportarten erhöht. Dazu gehören Kampfsportarten wie Boxen, Kontaktsportarten wie Fußball und Eishockey oder Sportarten mit einem hohen Sturzrisiko, etwa Inline-Skating.

Dass bei Kindern Gehirnerschütterungen häufiger vorkommen als bei Erwachsenen, erklären Fachleute unter anderem damit, dass Kinder öfter stürzen und aufgrund des Größenverhältnisses zwischen Kopf und Körper ein höheres Risiko haben, mit dem Kopf aufzuschlagen. Hinzu kommt, dass der Schutzreflex, sich beim Hinfallen mit den Armen abzufangen, bei Kindern noch nicht so ausgeprägt ist und Kinder ohnehin langsamer reagieren als Erwachsene.

Typische Anzeichen einer Gehirnerschütterung sind:

Die Symptome treten meist kurz nach dem Unfall auf, können sich aber auch erst sechs bis zwölf Stunden später entwickeln. Da bei Kopfverletzungen die Gefahr besteht, erneut das Bewusstsein zu verlieren, sollten Betroffene bis zum Eintreffen der*des Notärztin*Notarztes überwacht werden.

Eine Kopfverletzung sollte immer ärztlich untersucht werden, vor allem, wenn es zu einer kurzzeitigen Bewusstlosigkeit kam oder Symptome wie Schwindel, Übelkeit und Erbrechen auftreten. Nach einer ausführlichen Befragung zu Beschwerden und dem Unfallhergang erfolgt eine körperliche Untersuchung. Dazu gehören unter anderem

Ziel dieser Tests ist es, neurologische Ausfallsymptome auszuschließen, die auf ein schwereres Schädel-Hirn-Trauma hindeuten könnten.

Ob eine Gehirnerschütterung vorliegt, lässt sich zudem mit einem Bluttest feststellen. Die Konzentration des Proteins S-100B steigt nach einer Gehirnerschütterung im Venenblut an.

Zur Klassifikation eines vorliegenden Schädel-Hirn-Traumas nutzen Fachleute die Glasgow-Koma-Skala (Glasgow Coma Scale, GCS). Die Skala erfasst, inwieweit der*die Betroffene in der Lage ist, die Augen zu öffnen, zu sprechen und sich zu bewegen. Die Fähigkeiten in diesen drei Bereichen werden mit Punkten bewertet und geben so Auskunft über die Schwere des Traumas.

Je nach Schwere der Verletzungen können weitere Untersuchungen zum Einsatz kommen. Bei Kopfverletzungen gehört meist eine Computertomografie des Kopfes (Schädel-CT) zum Standard. In bestimmten Fällen werden zudem eine Elektroenzephalografie (EEG) oder Magnetresonanztomografie (MRT) des Schädels veranlasst, um detaillierte Bilder vom Gehirn zu erhalten.

Bei einer Gehirnerschütterung besteht die Therapie in erster Linie aus körperlicher und geistiger Schonung. Dabei kann auch kurzzeitige Bettruhe sinnvoll sein. Besteht ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Komplikationen nach einer Gehirnerschütterung (etwa einer Hirnblutung), wird eine Beobachtung im Krankenhaus über 24 Stunden angeordnet – im Einzelfall auch länger. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der*die Patient*in über 60 Jahre alt ist oder besonders heftigen und anhaltenden Kopfschmerz oder längere Gedächtnislücken hat.

Darf der*die Betroffene nach Hause gehen, sollte er*sie sich trotzdem konsequent Ruhe gönnen. Dazu gehört auch, sich in den ersten Tagen von Bildschirmen fernzuhalten. Das Gehirn sollte möglichst wenige Reize verarbeiten müssen. In einen Bildschirm zu schauen, kann nach einer Gehirnerschütterung die Kopfschmerzen verstärken und schlimmstenfalls Krämpfe auslösen.

Zur Linderung einzelner Symptome infolge einer Gehirnerschütterung stehen verschiedene Maßnahmen zur Verfügung:

Kopfschmerzen: Sie können beispielsweise mit Schmerzmitteln, die den Wirkstoff Paracetamol enthalten, behandelt werden. Wirkstoffe, die blutverdünnend wirken und die Blutgerinnung verzögern, wie Acetylsalicylsäure oder Diclofenac, sollten hingegen nur nach ärztlicher Absprache eingenommen werden.

Nackenschmerzen: Diese werden in erster Linie physiotherapeutisch behandelt. Auch Kälte- oder Wärmepackungen können Linderung bringen. Zur medikamentösen Behandlung werden Muskelrelaxantien empfohlen. Das sind Medikamente, die eine vorübergehende Entspannung der Muskulatur bewirken.

Übelkeit und Erbrechen: Dagegen helfen sogenannte Antiemetika. Bei häufigem Erbrechen sollten verlorene Flüssigkeit und Elektrolyte ersetzt werden. Das ist besonders bei Kindern wichtig.

Der Verlauf einer Gehirnerschütterung ist unterschiedlich und hängt mit davon ab, ob es zuvor schon einmal zu einem leichten Schädel-Hirn-Trauma gekommen ist: Dann ist das Risiko für einen schlechteren Verlauf erhöht. Die Heilungsdauer einer Gehirnerschütterung kann zwischen mehreren Tagen und einigen Wochen variieren, wobei körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen in der Regel früher nachlassen als neurologische Störungen. Eine Rückkehr an den Arbeitsplatz ist nach ein bis zwei Wochen möglich.

Es kann sich ein postkommotionelles Syndrom (posttraumatisches Syndrom) entwickeln. Das bedeutet, dass Beschwerden wie Kopf- und Nackenschmerzen, Schwindel und Übelkeit, Kreislaufschwäche, Reizbarkeit, Vergesslichkeit oder Konzentrationsstörungen sowie depressive Verstimmungen über Wochen, manchmal Monate hinweg fortbestehen. Zusätzlich können Beschwerden wie Fatigue, Schlafstörungen oder Ängstlichkeit auftreten. In den meisten Fällen sind Patient*innen nach spätestens drei Monaten beschwerdefrei. Halten die Beschwerden länger als drei bis sechs Monate an, sprechen Mediziner*innen von einem chronischen postkommotionellen Syndrom oder posttraumatischen Syndrom. In etwa 15 Prozent der Fälle bestehen die Symptome auch noch nach einem Jahr und länger.

Neuere Studien legen nahe, dass eine Gehirnerschütterung langfristige Auswirkung auf die kognitiven Fähigkeiten hat. Häufige Gehirnerschütterungen scheinen zudem das Risiko für Parkinson und Demenzerkrankungen wie Alzheimer zu erhöhen.

Eine Gehirnerschütterung ist Folge eines Unfalls oder Angriffs und damit nicht vorhersehbar oder durch Präventionsmaßnahmen zu verhindern. Das Vorbeugen einer Gehirnerschütterung besteht daher in allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen.

Wer bereits eine Gehirnerschütterung hatte, sollte diese unbedingt auskurieren. Gerade im Profisport ist dies ein Problem, wenn in Wettkampfsituationen eine Auszeit unmöglich erscheint. Auch Kinder sind manchmal schwer davon abzuhalten, möglichst schnell wieder ihrem Lieblingssport nachzugehen. Fakt ist aber: In den ersten sieben bis zehn Tagen nach einer Gehirnerschütterung ist das Risiko für ein erneutes leichtes Schädel-Hirn-Trauma erhöht. Das liegt unter anderem daran, dass ein viel geringerer Stoß gegen den Kopf nötig ist, um eine erneute Gehirnerschütterung auszulösen, wenn bereits ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma vorliegt. Ein weiterer Grund wird in dem verringerten Reaktionsvermögen nach einer Gehirnerschütterung vermutet.

Um einer erneuten Gehirnerschütterung vorzubeugen, sind sportliche Aktivitäten oder sturzgefährdende Aktionen strikt zu vermeiden, bis der*die Betroffene keine Symptome mehr spürt. Danach sollten körperliche Aktivitäten allmählich gesteigert werden.

Kinder sind besonders gefährdet, ein Schädel-Hirn-Trauma zu erleiden. Um Stürzen vorzubeugen, sollten folgende Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden:

Kinder sollten im Auto nur in einem passenden Kindersitz mitgenommen werden.

Mögliche Gefahrenquellen wie Treppen und Balkone sind abzusichern und Regale und Fernseher sollten kippsicher aufgestellt werden.

Säuglinge dürfen nie unbeobachtet auf der Wickelkommode liegen gelassen werden.

Eltern sollten für rutschfeste Socken oder Hausschuhe sorgen.

Spiel- und Klettergerüste im Garten sollten nur auf weichem Boden und nicht zu nah aneinander aufgestellt werden.

Kinder sollten erst ab dem Grundschulalter in Hochbetten schlafen.

Kinder unter 12 Jahren sollten auf Kopfbälle verzichten.

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