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2022-11-09 17:32:34 By : Mr. Jason Ma

Die Fahrer der Tour de France müssen mit der Hitzewelle in Frankreich fertig werden. Die hohen Temperaturen sind eine Herausforderung für die Fahrer und den Veranstalter.

Die Hitzewelle in Europa erreicht nun auch die Tour de France . Der französische Wetterdienst Meteo France rechnet zwischen Sonntag (17.07.2022) und Dienstag mit den höchsten Temperaturen im Südwesten des Landes. Keine schönen Aussichten vor allem für die 15. Etappe nach Caracassonne , wo bis zu 37 Grad im Schatten erwartet werden.

Die Radprofis hatten schon nach der 13. Etappe nach Saint Étienne am Freitag über die enorme Hitze geklagt. "Es war schrecklich, ein Glutofen", stöhnte der Franzose Thibaut Pinot . Für die Fahrer ist die Hitze ein zusätzlicher Stressfaktor. "Es ist für die Moral nicht einfach und für die Gesundheit", sagt Rolf Aldag, der sportliche Leiter des deutschen World-Tour-Teams Bora-hansgrohe. Man versuche alles, "damit die Fahrer nicht durchdrehen, es ist wie unter einer Glocke".

Doch neben der mentalen Herausforderung ist die Hitze auch körperlich eine enorme Belastung für die nach zwei Wochen Tour ohnehin schon strapazierten Radprofis. "Bei Hitze wird der Körper heiß und man verliert Flüssigkeit und Elektrolyte, und die muss man unbedingt nachführen", erklärt Christopher Edler, der Mannschaftsarzt bei Bora-hansgrohe.

"Wenn der Körper zu wenig Flüssigkeit hat, pumpt das Herz schneller, es versucht das, was an Flüssigkeit fehlt, nachzupumpen. Und wenn der Puls zu hoch ist, kann das Herz nicht mehr effizient genug pumpen." Die Folge sei ein Leistungsabfall, und im schlimmsten Fall werde einem schwarz vor Augen. "Spätestens da ist der Punkt erreicht, an dem man wirklich aufpassen muss, damit einem nichts passiert auf dem Rad", sagt Edler.

Damit das nicht passiert, müssen die Fahrer permanent mit Flüssigkeit versorgt werden und den Körper abkühlen. Manche Fahrer wie etwa Simon Geschke tragen deshalb schon vor dem Start Eiswesten. Auch mit Eis gefüllte Socken sollen helfen, den Körper abzukühlen. Immer wieder werden den Fahrern während der Etappe Eisbeutel gereicht, die sie sich dann hinten ins Trikot stopfen. "So ein Eisbeutel ist halt innerhalb von fünf Minuten weg, und deswegen braucht man immer wieder Nachschub", sagt John Degenkolb. "Das ist eine Wahnsinnsherausforderung für alle."

Bei Bora-hansgrohe präparieren sie ca. 250 Flaschen für den Tag. 90 davon befänden sich im ersten Teamfahrzeug 60 habe das zweite Auto hinter dem Peloton an Bord. Dazu haben die Pfleger am Straßenrand noch reichlich Flaschen dabei, die sie gegebenenfalls anreichen können. Bei Temperaturen von über 35 Grad müssten die Fahrer zwölf Liter trinken, erklärte der Teamarzt der französischen Mannschaft FDJ-Groupama der Sportzeitung L'Équipe . "Ehrlich gesagt, hatte ich eigentlich keine Lust mehr, zu trinken", sagte Geraint Thomas schon nach der 14. Etappe. "Ich musste vier, fünf Mal anhalten, um zu pinkeln."

Manche Radprofis kommen besser mit der Hitze zurecht als andere, aber auch die Anpassung an hohe Temperaturen lässt sich trainieren. "Man kann natürlich versuchen, das von außen physikalisch runterzuregeln, aber der Körper muss das abkönnen, muss darauf vorbereitet sein", erklärt Teamarzt Edler. Im Frühjahr etwa finden Rennen in der Hitze der Vereinigten Arabischen Emirate statt. Dort stehen viele Fahrer am Start, die später dann auch bei der Tour dabei sind. Auch Trainingslager in wärmeren Gefilden und in der Höhe dienen der Vorbereitung.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Fahrer der Tour de France sehr hohen Temperaturen ausgesetzt sind. Vom "Fegefeuer des Mont Ventoux " war schon 1967 die Rede, als Tom Simpson bei großer Hitze dehydrierte und mit einem Amphetamin-Alkohol-Mix im Blut vom Rad fiel und später starb.

Angesichts des Klimawandels wird es extreme Temperaturen in Zukunft aber wohl häufiger geben. Darum stellen sich auch für den Radsport ganz grundsätzliche Fragen. "Niemand fährt gerne fünf Stunden lang bei 40 Grad Hitze. Ich glaube auch nicht, dass das gesund ist", sagt der zweimalige Toursieger Tadej Pogacar.

"Die Gesundheit und Sicherheit der Fahrer haben oberste Priorität." So steht es auch im "extreme weather protocol" , das der Radsport Weltverband UCI bereits 2016 in Kraft gesetzt hat. Damit ist es möglich, bei extremen Wetterbedingungen Maßnahmen zu ergreifen - bis hin zur Absage eines Rennens oder einer Etappe. Auch sehr hohe Temperaturen gehören zu den Fällen, bei denen das Protokoll greift. Allerdings ist nicht genau festgelegt, ab welchen Temperaturen dies geschehen soll.

"Seit ich die Tour de France leite, ist dieses Protokoll erst einmal wegen der Hitze zum Einsatz gekommen. Das war 2019 beim Start an der Pont du Gard", sagt der Streckenchef der Tour, Thierry Gouvenou , im Interview mit der Sportschau. Bevor Maßnahmen ergiffen werden, kommt ein Gremium zusammen, das gemeinsam darüber berät, was zu tun ist. So ist es in den Regeln festgelegt. In diesem Gremium sind alle Parteien des Radsports vertreten: Fahrer, Teams, Rennjury und Rennärzte.

In der Regel seien es aber die Teams oder die Fahrer, die um die Veränderungen bäten, sagt Gouvenou . So könne es auch vor dem Start der 15. Etappe am Sonntag sein, wenn die Wettervorhersage präziser sei. "Vielleicht bitten Sie uns dann um eine Verpflegungszone direkt nach dem Start, oder darum, die Karenzzeit zu überdenken. Und wir sind bereit, uns diese Dinge anzuhören und zu realisieren."

Man diskutiere gemeinsam, um die beste Lösung zu finden und dafür zu sorgen, dass die Etappe stattfinden könne, so Gouvenou . Am Sonntagmorgen beschloss man dann tatsächlich gemeinsam, dass sich die Fahrer auf der 15. Etappe ab Kilometer 0 bis zehn Kilometer vor dem Ziel verpflegen dürfen. Auch die Karenzzeit wurde auf 20 Prozent gesetzt.

Die Lufttemperatur ist dabei nicht der alleinige Faktor. Für die Rennorganisatoren ist vor allem auch die Asphalttemperatur ein Problem. André Bancala kontrolliert für den Tourveranstalter ASO jeden Tag die Strecke unter dem Aspekt der Sicherheit. Er misst an heißen Tagen dabei auch regelmäßig die Temperatur des Straßenbelags.

Am Samstag auf der 14. Etappe betrug sie an einigen Stellen 48 Grad Celsius. Kritisch werde es bei 55 Grad, sagt Bancala. "Bei einer Hitzwelle mit mehr als 38 Grad, wie wir sie jetzt erwarten, steigt die Straßentemperatur auf mehr als 60 Grad." Auch das bekommen die Fahrer zu spüren, deren Pedale sich nur knapp zwanzig Zentimeter über dem Boden bewegen. Der bisherige Höchstwert bei der Tour de France wurde 2010 bei einer Etappe durch das Jura-Gebirge erreicht, als der Asphalt sich laut Bancala auf 68 Grad erhitzte. "An diesem Wochenende könnten wir diesen Rekord brechen", befürchtet er.

Um das zu verhindern, schickt die ASO zwischen der Werbekarawane und Fahrerfeld ein Fahrzeug auf die Strecke, um die Straßen zu wässern und den Asphalt abzukühlen, damit dieser nicht aufweicht. Die Straßenmeistereien einiger französischer Départments verschütten zudem an besonders exponierten Stellen ein Kalkwassergemisch.

Schon auf der 14. Etappe nach Mende waren immer wieder geweißelte Straßenabschnitte zu sehen. Auch das verhindert, dass sich der Asphalt stark erhitzt. André Bancala von der ASO sagt, man überlege, dieses Vorgehen für die kommenden Jahre auch selbst bei der Tour de France einzusetzen. Denn es dürfte kaum die letzte Hitzewelle sein, der sich das Peloton ausgesetzt sieht.