Wärme oder Kälte: Was hilft am Besten gegen Halsweh? - DER SPIEGEL

2022-11-09 17:41:11 By : Ms. Ivy Ning

Halsschmerzen: Wenn das Immunsystem gegen Viren kämpft, sind durchblutungssteigernde Maßnahmen oft besser

Halsschmerzen, Husten, Heiserkeit, eine verstopfte oder triefende Nase - im Frühjahr haben Erkältungen und grippale Infekte Hochkonjunktur und mit ihnen kluge Ratschläge von Familie und Freunden: "Wenn es im Hals kratzt, hilft ein warmer Schal", sagen die einen, "Entzündungen im Hals sollte man am besten kühlen", die anderen und verweisen auf ihre Mandeloperation, wo ihnen der Arzt Vanilleeis empfohlen hatte.

Warm oder kalt? Was hilft nun am besten gegen Halsweh?

Die Nachfrage beim Facharzt macht das Chaos perfekt: "Es kommt drauf an", sagt Karl-Bernd Hüttenbrink von der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Uniklinik Köln. Halsschmerzen können viele Ursachen haben: Zusammen mit einer Erkältung lösen meist Viren die Entzündung im Rachen aus, etwa Grippeviren oder sogenannte Adenoviren. Aber auch Bakterien können Schmerzen im Hals verursachen.

"Bei Halsweh im Zusammenhang mit einer Erkältung befallen Viren die Zellen der Halsschleimhaut", sagt Hüttenbrink. "Das ruft weiße Blutkörperchen auf den Plan." Ein Kampf beginnt: Immunsystem gegen Viren. Dabei zerstören Immunzellen von Viren befallene Zellen der Halsschleimhaut. Das Gewebe entzündet sich und schmerzt. Was tun?

Gut ist, was gut tut

Die wissenschaftliche Datenlage zur richtigen Behandlung von Erkältungs- oder Grippehalsschmerzen ist dünn. "Halsschmerzen, die durch Viren verursacht werden, werden typischerweise mit Naturheilverfahren behandelt", sagt Hüttenbrink. Gut ist, was gut tut, so die Faustregel. Die klinische Praxis zeige, dass im Schnitt 80 von 100 Patienten bei Halsschmerzen Wärme bevorzugen.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist das sinnvoll: Bei Wärme weiten sich die Gefäße, die Schleimhaut in Rachen und Hals wird besser durchblutet. Zerstörte Viren und Zellen, Schleim und Eiter werden auf diese Weise schneller abtransportiert. Man hat das Gefühl, als sei wieder mehr Platz im Hals. Durch Kälte dagegen ziehen sich die Blutgefäße zusammen. "Von Vorteil ist das beispielsweise nach Mandeloperationen, weil die Wunde weniger blutet und der Schmerz etwas betäubt wird", sagt Hüttenbrink. Die leichte Betäubung ist es auch, die Kälte für einen Teil der klassischen Halswehgeplagten interessant macht.

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Verkürzen kann man eine klassische Virusinfektion im Rachen aber weder mit Wärme noch mit Kälte. Dicke Schals oder wärmende Tees - wie sie die meisten Menschen bevorzugen - verbessern lediglich das Wohlbefinden. Alternativ oder ergänzend seien aufsteigende Bäder möglich, um die Durchblutung im Kopfbereich zu erhöhen, sagt Hüttenbrink. "Dazu taucht man Arme oder Beine in möglichst heißes Wasser und erhöht nach und nach den Wasserspiegel."

Wirkungsvollere Behandlungsmethoden gibt es für den Fall, dass sich Bakterien im Hals festsetzen - meist Streptokokken. Bakterielle Infektionen erkennt man typischerweise an geschwollenen Lymphknoten und Belägen auf den Mandeln. Dann können Antibiotika Abhilfe schaffen - oder alte Stinkesocken von Opa, die man sich um den Hals wickelt.

"An diesem alten Hausmittel ist tatsächlich etwas dran", sagt Hüttenbrink. Das Prinzip ist ebenso eklig wie faszinierend: In Wollsocken, die in geschlossenen Schuhen stecken, ist es angenehm warm und feucht. Optimale Bedingungen für Pilze. "Die Organismen bilden zum Teil Antibiotika", erklärt Hüttenbrink. Wer Opas alte Socke um den Hals habe, atme also Antibiotika ein. Wichtig sei, dass die Socken möglichst lang getragen wurden, am besten an ungewaschenen Füßen.

Zwar kann man auf Stinkesocken dank Antibiotika heutzutage weitgehend verzichten. Auf bloßen Verdacht hin sollte man die Medikamente aber nicht einwerfen. Immer wieder warnen Experten vor Resistenzen, die sie wirkungslos werden lassen. "Wir dürfen nicht vergessen, dass Bakterieninfektionen vor der Erfindung von Antibiotika eine große Bedrohung waren", sagt Hüttenbrink.

Neben Wärme oder Kälte - je nach Vorliebe -, kann auch Bonbonlutschen bei Halsschmerzen guttun. Es fördert den Speichelfluss und erleichtert das Schlucken. Wer inhaliert, versorgt die Schleimhäute mit Feuchtigkeit und verhindert, dass schützende Flimmerhärchen verkleben. Bessert sich das Halsweh nach ein paar Tagen nicht, oder tauchen die Schmerzen unabhängig von einer Erkältung auf, sollte man zum Arzt gehen. Ein gesunder Lebensstil - gesunde Ernährung, Sport und frische Luft - kann das Risiko für Halsentzündungen senken. Rauchen schadet den Schleimhäuten.

Fazit: Kälte betäubt, Wärme löst den Schleim - die Behandlung von Halsschmerzen bei Erkältungen ist Geschmackssache. Nach einer Mandeloperation dagegen gilt eindeutig: Kälte schützt vor Blutungen. Besonders Vanille-Fans kommen auf ihre Kosten.

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